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Garantiert esoterisch: Die Lebensfreude Messe in Hamburg

Lebensfreude MesseEnergiespray, Heilsteine und Auralesen – die Lebensfreude Messe gastierte mal wieder in Hamburg und ich war dabei! Gefühlte 90% weibliche Besucherinnen suchten auf dieser Messe nach der puren Lebensfreude. Lest hier meinen nicht repräsentativen Erfahrungsbericht und findet heraus, was man für sein Eintrittsgeld so ungefähr erwarten kann!

Nachdem meine männlichen Kollegen mich im Vorfeld stöhnend vor dieser Messe gewarnt haben, will ich es ganz unvoreingenommen selbst austesten: Ein ganzer Tag bei der Lebensfreude Messe im Hamburger CCH. Schließlich gibt es doch nichts Nützlicheres und Sinnvolleres, als einen sonnigen Samstag mit purer Energie auszufüllen.

Pünktlich 10 Uhr schaffe ich es nicht, auf der CCH-Matte zu stehen, verpasse somit das Vedischa Arathi-Feuerritual (Google hilft hier definitiv weiter) und kann bedauerlicherweise nicht an der Fürbitte für Herzenswünsche teilnehmen…

Mit leerem Magen hüpfe ich alsdann gegen 10:30 Uhr in die Messehallen und suche zunächst nach einem gesunden Frühstück. Eine sonderlich große Auswahl gibt es nicht. Der einzige richtige Verkauf findet an einem Ayuverdischen Stand statt, hier ist allerdings jegliche Speise in Sonnenblumen-Öl frittiert (frittiertes Sandwich zum Beispiel). Zu viele Transfette für meinen bescheidenen Geschmack. Eine kleine Portion totes, frittiertes Gemüse soll dann satte 9 Euro kosten. Nö, da nasche ich mich dann lieber am Lovechock-Stand durch zahlreiche rohe Kakao-Schoki-Proben und am „Lebe Gesund Versand“-Stand futter ich nochmal ein paar geschmierte Brote (leider nicht glutenfrei). Super, dass es dann auch noch einen Stand mit etlichen Kostproben von Goji-Beeren bis Hanf-Crackern gibt. Mir ist schlecht. Aber der erste Vortrag ruft.

Es ist 11 Uhr und ich habe mich für „Sie sagen mir Ihre Geburtsdaten und ich sage Ihnen Ihre Lebensaufgabe!“ entschieden. Voller Vorfreude und Spannung beobachte ich zunächst, wie die Referentin bei einer Freiwilligen mit ein paar Fingerschnippsen ein sofort erkanntes Hüftleiden wegschnippst. Hammer. Nebenbei werden immer wieder die Preise ihrer CDs, Beratungen usw. eingeworfen. Nun soll sich jeder anhand seines Geburtsdatums und einer leichten Rechenaufgabe schnell noch seine persönliche Lebens-Zahl zurechtrechnen. Das klappt bei einigen Teilnehmern nicht ganz so auf die Schnelle und die Referentin erkennt ungeduldig, dass es wohl an Mathematikgrundkenntnissen fehlen würde. Lebensaufgabe: Mathe-Nachhilfe? Anhand der persönlichen Lebenszahl werden noch schnell ein paar Verallgemeinerungen, die wirklich auf jeden anderen Menschen auch passen könnten, in den Raum geworfen. Unzufrieden und fast schon bedeppert verlasse ich den Raum und latsche in den nächsten Vortag. Mir dämmert es: Die Vorträge dienen lediglich dazu, Menschen an die gemieteten Stände zu locken, wo dann ordentlich bezahlt werden soll.

12 Uhr: „Erbe des Unerlösten. Wie unsere Ahnen unser Denken, Handeln und Fühlen beeinflussen“. Hoffentlich nicht wieder ein Verkaufs-Vortrag, denke ich und nehme bei seichter Meditations-Musik fast schon provokativ in der ersten Reihe Platz. Die kasachische Dame erklärt mit einem betörenden Akzent, dass die Ahnen väterlicherseits rechts hinter uns und die Ahnen mütterlicherseits links hinter uns stehen sollten, um unser Leben in geordneten Bahnen laufen zu lassen. Kriegsgeschehnisse und andere Katastrophen würden die Ahnen beeinflussen und somit auch unser Leben verwirren. Macht irgendwie Sinn. „Es wird nun sehr emotional, nur wer ernsthaftes Interesse an einer Meditation hat, sollte bleiben“. Ob jemand geht, sehe ich nicht, ich sitze schließlich in der ersten Reihe. Abhauen gilt jetzt nicht. Meine erste geführte Meditation und sie wird echt heftig. Aus die Maus mit Lebensfreude. Hier wird um mich herum lauthals geschnieft und geheult. Ich versuche krampfhaft, nicht auch zu weinen. Und dann kullern doch noch ein paar ungewollte Tränen über meine linke Wange. So hatte ich mir das nicht gedacht. Aber nach der Meditation soll nun angeblich meine rechte Körperhälfte wieder in geordneten Energie-Bahnen verlaufen. Cool.

Eigentlich hatte ich mir einen weiteren Vortrag vorgenommen, brauche aber erst mal eine Pause und mische mich wieder unter das Messe-Volk. Hier treffe ich auf einen netten Herrn, der mitunter bei Bibel-TV zu sehen ist. Mit ihm bete ich eine Runde. „Jesus liebt Dich!“ haucht er zum Abschied.

Vorbei an teuren Thai-Massagen, Reiki-Griffen und etlichen Wasserfilter-Systemen, treffe ich auf einen ungarischen Handleser. 20 Euro sind auf dieser Messe für Handlesen noch recht günstig. Aber ich will nicht zahlen. Auch nicht, nachdem mir der alte Herr mit seinen strahlend blauen – von der Sehkraft fast verlassenen – Augen die Hände hält und mir verspricht, er würde mir Tipps geben, wie ich meine Zukunft zum Positiven gestalten könne und dass sich die Investition lohnen würde. Ziemlich gewieft. Ich frage ihn, ob er auch sieht, wann jemand stirbt. Ja, das tut er. Aber ich will es nicht wissen, lächle ihn an und entziehe ihm meine Hände lieber wieder. Eine mutige junge Dame lässt sich dann vor meinen Augen aus der Hand lesen. Sie werde 89 Jahre alt. Die junge Dame freut sich über diese Info vom Handleser. „Na warte mal ab, bis du 88,5 Jahre alt bist“, sage ich ihr.

16 Uhr: Bei einer sogenannten Zellflüsterin mache ich den nächsten Halt und bekomme hier allerlei reichhaltige und konfuse Tipps, von denen ich zunächst nur behalten kann, dass jede Zelle ein eigenes Universum ist. Stimmt. Außerdem sieht die Zellflüsterin eine starke männliche Präsenz eines männlichen Ahnens hinter meiner rechten Schulter. Hat es vielleicht was mit der Meditation beim vorherigen Vortrag zu tun? Zusammen mit ihrer Heil-Partnerin bekomme ich eine Kostprobe ihres Könnens. Ich sitze auf einem Stuhl, vor mir kniet die eine Dame und hält meine Knie, die andere Dame beginnt mit ihren Händen an meinem Kopf entlang zu fahren bis hin zu meinen Armen. Es fühlt sich an wie ein sich abstoßender Magnet. Irgendwie wohlig. Das seien ihre energetischen Hände. „Willst Du mehr?“, fragt die vor mir kniende Dame. Ich will nicht. Es hätte 33 Euro gekostet.

Langsam wird es stickig zwischen den vielen Ausstellern und ich bahne mir meinen Weg vorbei an Esoterik-Büchern, Energiesprays, Aura-Scans, Edelsteinen und weiteren fremdartigen Dingen nach draußen in die Sonne.

Es ist 18 Uhr und ich besuche den letzten Vortrag „Leber- und Gallenblasenreinigung“. Ich erwarte ein fundiert-wissenschaftliches Referat zu diesem Thema. Halbwegs ist es das auch, aber auch hier werden wieder unzählige Produkte zum Verkauf angeboten. Nervig.

Noch einmal schlendere ich zum Abschluss vorbei an den nun fast leeren Messeständen und treffe auf einen Mann, der seine Engels-Diamanten präsentiert. Ich darf einen in meiner Hand halten und könne mir nun die Engels-Energien herunterladen. OK, abgemacht und schon gedownloaded! Ich erfahre, dass der Diamantenjunge hellfühlig ist und es am nächsten Tag ein spannendes Live-Channeling von Metatron geben wird! „WOW, und wer ist Metatron?“, will ich wissen. „Hast du schon mal davon gehört, was ein geistiger Tiefflieger ist?“, flüstert Diamantenboy mir zu. Charmant. Ich müsse doch wissen, dass Metatron – DER Erzengel – ebenso berühmt sei wie Jesus. Wusste ich aber nicht und zu dem Vortrag werde ich auch nicht erscheinen, beschließe ich in diesem Moment. Aber weil ich endlich nochmal was erleben will, bitte ich den Aussteller und Engelsflüsterer, mir etwas über meinen Engel zu erzählen. Mein Engel weiß, dass ich von allen geliebt werden möchte. Recht hat er, so wie alle anderen Menschen, möchte ich das auch. Menschliches Grundbedürfnis Nummer eins halt.

20 Uhr: Mit einem dröhnenden Kopf düse ich wieder nach Hause, wo ich den schlimmsten Kopfschmerz meines Lebens durchstehe. Ich überlege krampfhaft, wem ich die Schuld dafür in die Schuhe schieben könnte? War es die Numerologie-Tante, die Ahnen-Meditation, der unbezahlte Handleser, die Zellfüsterin mit ihren Magnet-Händen an meinem Kopf, oder doch der Engelsflüsterer, dem ich zum Abschied die Hand gab? Wer von denen hat mir meine gesamte Energie geraubt und mich so geplättet? Ich erinnere mich nun an einen Satz der Zellflüsterin: „Niemand anderes hat jemals Schuld, du hast immer selbst die Verantwortung für alles, was du tust!“ Wie weise. Hätte ich doch bloß auf meine männlichen Kollegen gehört. Ich schlafe in dieser Nacht 12 Stunden und muss sagen: Wer es schafft, ganze 3 Tage Lebensfreude Messe am Stück  durchzuhalten, ist ein echtes Kraftpaket und ganz bestimmt um einige Euros erleichtert. Ein voller Tag dort hat mich komplett ausgeknockt und lebensfroher war ich danach nicht unbedingt. Aber die vielen bunten Eindrücke haben mein Leben definitiv um mindestens ein Lächeln bereichert.

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